Alle Mönche sollen arbeiten

Er verlangt von allen seinen Mönchen, dass sie arbeiten, und zwar mit ihren Händen arbeiten. Er verlangt dies in einer Zeit, in der Handarbeit als Sklavendienst verpönt war. Dies galt nicht nur bei den Römern und im Orient, sondern auch bei den Germanen, die lieber in Stammesfehden und Turnieren kämpften, als dass sie arbeiteten.

Wir müssen dies wissen, um zu begreifen, welche Zumutung für den damaligen Menschen hinter Benedikts Forderung steckte. Aber er greift nichts aus der Luft. Er stützt sich bei seiner Anordnung vielmehr auf den biblischen Grundsatz der Gleichheit aller Personen vor Gott. Im 2. Kapitel seiner Regel kann man dies so lesen:

"Der Abt mache im Kloster keinen Unterschied der Person.

Er liebe den einen nicht mehr als den andern,

außer er fände einen treuer und gehorsamer.

Wer frei geboren ist, darf nicht über den gestellt werden,

der aus dem Sklavenstand ins Kloster tritt,

wenn dafür nicht ein anderer, vernünftiger Grund besteht.

< ....>

denn ob Sklave oder freier Mann,

in Christus sind wir alle eins,

und unter dem gleichen Herrn

tragen wir die Last der gleichen Dienstpflichten;

bei Gott gibt es ja kein Ansehen der Person."

RB 2,16-20 [2]

Seine wesentlichen Aussagen zur Arbeit macht Benedikt in Kap. 48. Er schreibt u.a.:

"Müßiggang ist der Feind der Seele.

Deshalb sollen sich die Brüder beschäftigen:

zu bestimmten Zeiten mit Handarbeit,

zu bestimmten anderen Stunden mit heiliger Lesung.

< .... >

Wenn die Ortsverhältnisse oder die Armut fordern,

dass sie das Einbringen der Ernte selber besorgen,

sollen sie deswegen nicht missmutig werden.

Sie sind nämlich erst wahre Mönche,

wenn sie von der Arbeit ihrer Hände leben

wie unsere Väter und die Apostel.

Alles geschehe aber mit Maß wegen der Kleinmütigen. „

Benedikt gibt hier Anordnungen zur Arbeit, zum Gebet und zur Geistlichen Lesung. Alles ist wichtig. Ihm geht es vor allem um einen ausgewogenen Wechsel von Gebet, Arbeit und Lesung. Um einen wirklich ausgewogenen Rhythmus, der den Menschen in seiner Ganzheit von Leib, Seele und Geist sieht und anspricht.

Ora et labora

Wechsel von Gebet und Arbeit heißt aber für Benedikt nicht, dass er in ihnen als zwei verschiedene Vollzüge des Menschen sieht, die nebeneinander stehen. Gebet und Arbeit 'ora et labora' ist keine Aufzählung. Es geht ihm vielmehr um die innere Verbindung zweier Grundvollzüge des Menschen. Anselm Grün [3] schreibt dazu: "Humanisierung der Arbeit wäre für Benedikt kein erstrebenswertes Ziel gewesen, ihm ging es um eine Spiritualisierung, um den religiösen Vollzug der Arbeit. <...> Benedikt sieht weder die Leistung, noch die menschliche Selbstverwirklichung durch Kreativität als das letzte Ziel der Arbeit. Für ihn ist die Arbeit eine Weise des Gebetes und Gebet die Vollendung der Arbeit."

Arbeit bei den >alten< Mönchen

Die Handarbeit wurde aber nicht erst für die Mönche des hl. Benedikt wichtig. Schon die alten Mönche des 2./3. Jh. wussten, warum sie mit ihren Händen arbeiteten:

Müßiggang

Müßiggang ist für den Mönch gefährlich, vor allem deshalb, weil er darin unterfordert wird und ständige Unterforderung zur Erschlaffung führt. Er verliert die Spannkraft und wird unfähig zu echtem Gebet.

Müßiggang ist auch deshalb von Übel, weil er den Mönch zerstreut. "In der Zerstreuung entferne ich mich von der Realität und fliehe in eine Phantasiewelt. Zerstreuung ist nicht ein Zeichen, dass ich mich zu wenig konzentrieren kann, sondern dass ich mich zu wenig loslassen kann, dass ich von mir, von meinem Tun, von meiner Vergangenheit oder von meinen Wünschen betreffs der Zukunft nicht loskomme. Ich kreise um mich selbst und ergehe mich in den Weiten meiner Phantasie." [4]

Durch die Handarbeit möchte Benedikt den Mönch vor der Zerstreuung bewahren. Denn gerade indem die Arbeit meine ganze Aufmerksamkeit verlangt, hindert sie mich daran, mich in irgendwelche Scheinwelten meiner Phantasie zu flüchten. Sie fesselt mein Denken und bindet es an das, was ich gerade tue. „Indem ich mich auf die Arbeit einlasse, lasse ich mich auf Gott ein, weil ich mich darin von Gott fordern lasse", schreibt Anselm Grün dazu.

Maß und Sinn der Arbeit

Andererseits besteht im Kloster auch die Gefahr, dass die Arbeit den Menschen verschlingt, die Leistung zum Götzen wird; dass der Mönch die Arbeit überbewertet und stolz auf sie wird. Beides sperrt den Mönch vom Sinn seines klösterlichen Daseins ab: Müßiggang und Überbewertung.

Abt Odilo Lechner [5] schreibt dazu, dass weder das rechte Maß und noch der Sinn der Arbeit darin liegen kann, sich in der Arbeit zu entfalten und selbst zu verwirklichen. Bei diesem Maßstab müsste der Mensch bei einem Großteil der notwendigen Arbeiten unbefriedigt bleiben. Der Sinn der Arbeit kann wohl nur im Sinn des Lebens überhaupt gefunden werden und den sieht Benedikt für seine Mönche:

"ut in omnibus glorificetur Deus –

damit in allem Gott verherrlicht wird"

RB 57,9.

Die Stickerei

Wir Schwestern im Kloster Thyrnau leben mit unserer Stickerei ganz in der Tradition der Zisterzienser, die wie der hl. Benedikt, großen Wert auf die Handarbeit gelegt haben.

Die ersten 50 Jahre

Der Stickereibetrieb bestand von Anfang an in Thyrnau. Dies belegen Nachrichten aus der Chronik, von denen 1903 die ersten zu finden sind, und aus denen geschlossen werden kann, dass die Aufträge anfangs zwar sehr spärlich kamen und man deshalb über jeden einzelnen froh war, dass sie aber doch 'flossen'. Die Schwestern haben selber gestickt und genäht. Aus der Anfangszeit sind acht von ihnen mit Namen bekannt, die je nach Fähigkeit und Können auch sehr unterschiedliche Schwerpunkte hatten.

Äbtissin M. Juliana Füglister
Sr. Venantia Sauer (Filetspitzen);
Sr. Johanna Barmettler (Paramentenstickerei);
Sr. Agatha Kohlhaupt (Tamburier-Arbeiten)
Sr. Eugenia Sulzer
Sr. Dominica Infanger (Perlentaschen)
Sr. Hedwigis Voser
Sr. Juliana Meier

Alle acht Schwestern hatten schon in Vézelise/Frankreich gestickt. Die meisten sind von Juliana Füglister in diesen Arbeitsbereich eingeführt worden. Sie selbst hatte das Sticken bei den Mitschwestern im Kloster Eschenbach gelernt.

Sr. Juliana Meier

Die bedeutendste Stickerin von diesen Schwestern war wohl Sr. Juliana Meier. Sie wurde am 20.12.1867 in Zürich geboren, legte die Lehrerinnenprüfung für Sekundarschulen in Menzingen ZG ab, trat dort bei den Schwestern ein, wurde aber wegen Krankheit entlassen. Daraufhin ging sie 1891 zu den Zisterzienserinnen nach Vézelise. Hier lernte sie bei Äbtissin Juliana Füglister das Stickerhandwerk. Sie entwickelte solche Fertigkeiten, dass sie 1896 ins Kloster Eschenbach/Schweiz geschickt wurde, um die dortigen Mitschwestern in die Stickkunst einzuführen. In Thyrnau leitete sie die Paramentenwerkstatt und den Handarbeitsunterricht in der Schule. Sr. Juliana Meier versah dann auch das Amt der Priorin, der Novizenmeisterin und von 1919-1949 das der Äbtissin.

Die Bildmotive, die Juliana Meier bei ihren Arbeiten verwendet, entsprechen weitgehend dem damaligen Zeitgeist. Sie sind im allgemeinen sehr realistisch, naturgetreu, wenig abstrakt, dem entspricht als Sticktechnik die Nadelmalerei. Auf den Fahnen bevorzugt sie Szenen der Ereignisse, nicht nur einzelne Figuren. Die Entwürfe für Paramente hat sie meist nach einer vorhandenen Vorlage gezeichnet, wie z.B. den Sigismund Felix Ornat nach unseren alten barocken Rathauser Messgewändern.

Die Stickerei führt Sr. Juliana sehr fein und exakt aus. Die Nadelmalerei wird zwar bevorzugt, aber sie beherrscht auch die Goldstickerei, die sich zwar stark an die barocken Stickformen anlehnt, aber doch großzügiger gestaltet und gehandhabt wird.

Ausschnitt aus einer Fahne, die Juliana Meier gezeichnet hat.

Da nach der ersten Bestellung vom Thyrnauer Pfarrer Lichtenegger im Jahr 1902 immer mehr Aufträge kamen, wurde die Stickerei nach kurzer Zeit ein wichtiger Arbeitsbereich. Äbtissin Juliana Füglister, die selber auch stickte und später auch

Äbtissin Juliana Meier legten deshalb großen Wert darauf, dass auch die nachkommenden Schwestern in diesen Arbeitsbereich eingeführt wurden und eine gute Ausbildung erhielten. Noch besser war es natürlich, wenn sie eine handwerkliche Ausbildung, wie z.B. Schneiderei, bereits mitbrachten.

Sr. Margarita Scherer

Eine andere, recht begabte Stickerin war wohl auch Sr. Margarita Scherer. Sie war die Nichte von Äbtissin Juliana Füglister, wurde 1889 in Neuenhof-Killwangen im Aargau geboren, ein Ort, der um die Jahrhundertwende ca. 870 Einwohner hatte. Sie trat mit 19 Jahren ins Kloster ein, wurde 1909 eingekleidet und legte 1910 ihre Profess ab.

10 Jahre leitete Sr. Margarita den hiesigen Kindergarten und den Handarbeitsunterricht der Mädchen – Volksschule in Thyrnau. 1929-1935 und 1945-1950 war sie außerdem Priorin. Im Alter von 61 Jahren ging sie 1950 nach Apolo / Bolivien in die Mission, wo sie 1983 im hohen Alter von 94 Jahren starb.

Sr. Margarita war mit Sr. Agatha Nieder eine der ersten Schwestern, die von Äbtissin Juliana Meier zur Ausbildung fortgeschickt wurden. Damals war Liesel Brösch die Stickerin in Deutschland und so gingen die beiden Schwestern 1937 zu ihr nach Bonn-Bad Godesberg. Sr. Margarita kehrte nach einem mehrwöchigen Kurs wieder zurück. Sr. Agatha blieb in Bonn und bereitete sich dort auf die Meisterprüfung vor, die sie im Mai 1938 ablegte.

Hl. Josef. Ausschnitt aus einem Pluviale.

Dieses Pluviale wird Sr. Margarita in Zeichnung und Ausführung zugeschrieben. Ca. 1940. Kloster Thyrnau.

Sr. Margarita konnte sehr gut zeichnen und hat wohl auch viele Entwürfe gezeichnet.

Diese Entwürfe wie auch deren Ausführungen waren stark von der in der Werkstatt herrschenden Sticktradition bestimmt, d.h. sie hat vorwiegend in Nadelmalerei gestickt, in Anlegetechnik oder in Sprengtechnik gearbeitet. Sr. Margarita hat sehr akkurat und sauber gestickt.

 

 

 

 

 

Sr. Ludwigis Baumgartner

Sr. Ludwigis Baumgartner wurde am 13.05.1909 in Mühlham/Rottal geboren, trat 1927 in Thyrnau ein und legte 1929 ihre Profess ab

Studie in Nadelmalerei 

Als Sr. Ludwigis eintrat, war Sr. Juliana Meier schon 6 Jahre Äbtissin und Sr. Margarita schon fast 20 Jahre im Kloster. Wer zu diesem Zeitpunkt die Stickerei geführt und geleitet hat, ist nirgends verzeichnet. Vermutlich hatte Äbtissin Juliana sich dies vorbehalten. Sie war es jedenfalls, die das Zeichentalent der jungen Sr. Ludwigis entdeckte und förderte und diese auch in die Stickkunst einführte. -

 

Ausschnitte aus dem Gesellenstück von Sr. Ludwigis. 

1942 konnte Sr. Ludwigis in Hegne am Bodensee die Meisterprüfung ablegen, auf die sie sich mit

vierzehn Schwestern aus verschiedenen Ordenshäusern im Zisterzienserinnenkloster Lichtenthal in Baden vorbereitete hatte. Sie kehrte mit der Note 1 und Auszeichnung zurück. 1946-1949 war sie Novizenmeisterin und 1949 wählte der Konvent sie zur Äbtissin.

Dies war für die Paramenten- und Fahnenwerkstatt ein Segen. M. Ludwigis baute die Stickerei aus und öffnete sie als Lehrbetrieb für Mädchen aus der näheren Umgebung. Am 01.06.1952 wurde der erste Lehrvertrag mit Rosa Lenz aus Thyrnau geschlossen, die bis heute dem Betrieb die Treue gehalten hat. Sechs Wochen später wurde der zweite Lehrvertrag unterschrieben. Bis heute, also in den 50 Jahren zwischen 1952 und 2002 haben 33 Mädchen die Stickereilehre erfolgreich abgeschlossen.

An der Nähmaschine: Sr. Agatha,

Die anderen üben für die Gesellenprüfung:

Sr. Caritas, Sr. Mechtildis, Sr. Juliane

Gleichzeitig mit den ersten weltlichen Lehrlingen bildete M. Ludwigis auch 11 junge Schwestern in diesem Handwerk aus. Diese legten in den Jahren 1954, 1961 und 1963 die Gesellenprüfung in Landshut mit sehr guten Erfolgen ab.

M. Ludwigis hat selber entworfen, gezeichnet, gestickt und natürlich auch angeleitet. Sie war in ihren Entwürfen sehr vielseitig, und nicht abhängig von Vorlagen, sondern sie gestaltete frei.

Sie hat eigentlich alle Stickformen meisterhaft beherrscht: Nadelmalerei; Goldstickerei; Leinenstickerei, Weißstickerei. Charakteristisch sind für M. Ludwigis die gestickten Bordüren, z.B. um den Halsausschnitt, als Abschluss bei Kaselstäben u. ä..

M. Ludwigis war eine vielseitige, begnadete Stickerin, die ihr Wissen und Können an viele Menschen weitergegeben hat. Mit ihrer Kunst hat sie auf vielfältige Weise zur Verschönerung der Gottesdienste beigetragen, und damit anderen Menschen den Zugang zum göttlichen Geheimnis erleichtert. Sie lebte in einer Zeit, in der es im Kloster nicht viel Material gab. Sie war aber in der Lage, aus den wenigen Fäden viel zu machen, sie ihrer Eigenart entsprechend in jeglicher Weise zu nutzen und auch ihren Lehrlingen ein Gespür dafür zu vermitteln. Äbtissin

Ludwigis starb am 23.01.1970 im Alter von nur 60 Jahren.

  

  
  

 

Die Stickerei nach 1952

Mit dem Eintritt des ersten weltlichen Lehrlings 1952 in diesen Arbeitsbereich kamen große Veränderungen auf die Schwestern zu.

Rosa Lenz kam aus Thyrnau, war gerade 15 Jahre alt und hatte die Volksschule erfolgreich abgeschlossen. Mit dem Ausfüllen dieses Lehrvertrages wurde vielen Mädchen die Möglichkeit gegeben, sich in einem Beruf am Wohnort ausbilden zu lassen. In Thyrnau sind Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten noch heute rar und damals erst recht. So waren viele Eltern froh, ihre Tochter in die Stickerei zum Lernen schicken zu können. Bis heute konnten genau 33 Mädchen die Lehre in der Handstickerei erfolgreich abschließen.

In den Fünfziger Jahren saßen in manchen Jahren bis zu 7 Lehrmädchen aus drei Lehrjahren an den Rahmen. Die Schwestern hatte alle Hände voll zu tun. Wer einmal Lehrlinge ausbildete, weiß, welche Kraft und auch welche Phantasie gefordert war, um alle angemessen zu beschäftigen. Nach der Lehre konnten nicht alle ausgebildeten Lehrlinge als Gesellinnen übernommen werden. Viele haben einen Arbeitsplatz in anderen Bereichen gefunden, waren aber froh, eine gute Ausbildung erworben zu haben.

Heute arbeiten 5 junge Frauen in diesem Betrieb, von denen 2 eine adäquate Ausbildung haben. Die anderen wurden angelernt.

Auch die in der Stickerei ausgebildeten Schwestern sind nicht alle der Paramenten- und Fahnenwerkstatt treu geblieben. Einige absolvierten noch eine zweite Ausbildung, etwa in der Gärtnerei oder in der Hauswirtschaft. Für andere war die Stickereilehre schon eine zweite Ausbildung. Nach dem Noviziat, bzw. nach der ewigen Profess wurden die Schwestern jedenfalls in dem klösterlichen Arbeitsbereich eingesetzt, in dem sie gebraucht wurden.

So arbeiten heute neben Sr. Mechthild als der Meisterin in der Stickerei 6 weitere Schwestern in der Näherei: Sr. Benedikta, Sr. Monika, Sr. Michaela, Sr. Franziska, Sr. Lucia und zeitweise Sr. Ancilla. Beim Nähen helfen noch 2 ausgebildete weltliche Schneiderinnen.

Sr. Irmengard Baumgartner

Da M. Ludwigis als Äbtissin nicht mehr die Zeit hatte, um alle Lehrlinge in der Stickerei ordentlich auszubilden und Sr. Margarita in die Mission gegangen war, wurde Sr. Irmengard Baumgartner zur Meisterprüfung geschickt, die sie am 17.05.1956 in Straubing erfolgreich ablegte.

Sr. Irmengard ist die Schwester von M. Ludwigis. Sie wurde 1913 in Mühlham geboren, trat 1933 in Thyrnau ein, wurde 1934 eingekleidet und legte 1935 ihre Profess ab.

Sr. Irmengard war künstlerisch sehr begabt. Sie lernte im heimatlichen Kloster das Sticken, im Zisterzienserinnenkloster Lichtenthal die Kunstweberei, in verschiedenen anderen Klöstern schaute sie in die Paramentenstickereien hinein und entwickelte so im Laufe der Zeit ihren eigenen Stil.

 

Sr. Irmengard beim Zeichnen

Die Bandbreite ihrer Entwürfe ist sehr groß. Sie reicht von reinen Ornamenten über ornamentale Muster bis hin zu realistischen Darstellungen, die sehr naturgetreu sein können.

Bei den Paramenten bevorzugte Sr. Irmengard keine realistischen Muster. Auch gegenständliche Motive, wie Ähren, Trauben, Flammen, Blumen usw. werden ornamental angeordnet und im allgemeinen nicht naturalistisch gestickt.

 

Bei Messgewändern bevorzugt sie Goldtechniken, wie Sprengen, Anlegen, Stechen. Diese Goldstickerei wird oft mit farbigem Perlgarn in Anlegetechnik oder Plattstich oder anderen Zierstichen, wie Steppstich, Stilstich usw. kombiniert. Konturen werden fast immer gestickt, meist in Plattstich oder in Anlegetechnik Für Flächenfüllungen wird der Hexenstich in allen Variationen bevorzugt, aber auch der Zopfstich und Gitter. Figuren werden in Nadelmalerei oder mit Hexenstichvariationen gestickt. Die Schrift auf den Fahnen und Fahnenbändern lässt sie mit einer Goldlitze sprengen, gelegentlich wird auch der Zopf- oder Plattstich verwendet. Die Bilder auf den Fahnen, d.h. die Kirchen und Figuren, werden relativ großzügig gestickt, so wie sie auch großzügig gezeichnet sind.

Sr. Irmengard leitete fast 40 Jahre die Stickerei und hat sie in so langer Zeit auch nachhaltig geprägt. Sie hat 20 Lehrmädchen ausgebildet, von denen viele ihre Gesellenprüfung sehr gut abschlossen und manche einen Preis erhielt. 

 

Eins der beliebtesten Muster

Sie hat die Stickerei im Kloster neu geprägt. Die Art der Stickerei der ersten Schwestern, die bis in die Fünfziger Jahre immer weitergegeben wurde, hat sie zwar aufgegriffen, aber im Laufe der Zeit nach ihrer Art verändert. Es wundert dies nicht, da Sr. Irmengard ein künstlerischer, großzügiger Mensch war, immer offen für Neues.

Am 24. November 2001 starb sie im Alter von 88 Jahren.

 

Emmaus, Wandbehang

Sr. Mechthild Bernart

1988 hat Sr. Mechthild Bernart von ihr die Leitung der Stickerei übernommen. Sr. Irmengard hat aber weiterhin Fahnen und bis zuletzt Fahnenbänder gezeichnet

Sr. Mechthild wurde am 12.03.1948 in Helmstedt geboren, trat 1978 in Thyrnau ein, wurde im Dez. 1978 eingekleidet und legte 1980 ihre Profess ab. Vor ihrem Eintritt ins Kloster legte sie das 2. Staatsexamen als Sonderschullehrerin für Lern- und Geistigbehinderte ab und hat in Pädagogik promoviert. Nach dem Eintritt in Thyrnau arbei-

tete sie bis 1982 in der Paramentennäherei. 1984 legte sie die Gesellenprüfung und 4 Jahre später die Meisterprüfung im Stickerhandwerk ab. Seit 1988 arbeitet sie als Meisterin in der Paramentenwerkstätte.

Zur weiteren Ausbildung war sie einige Zeit bei Sr. Animata Probst in Dillingen und arbeitete sich dort in die sog. freie Stickerei ein, in der es darum geht, eine Fläche in freier Entscheidung mit Nadel und Faden zu gestalten. Dies setzt weniger technisches Können als vielmehr Kreativität und Gestaltungsfreude voraus. Damit natürlich auch künstlerische Begabung.

Bevorzugt wird als Stickboden Seide oder Leinen, Stickmaterial ist Leinengarn. Wenn Gold gebraucht wird, dann im allgemeinen Japangold. Bei den Bildern wird es sehr sparsam eingesetzt. Die Ornamente werden oft ganz mit Japangold gestickt. Von den Motiven her unterscheiden sich auch die Stickformen. Das Japangold der Ornamente wird angelegt, die Bilder in freier Stickerei ausgeführt.

Das heißt, dass seit einigen Jahren die Artenvielfalt der gestickten Paramente zugenommen hat, auch die Zeichnung und Ausführung hat sich geändert. Immer mehr Messgewänder werden aus Seidenstoffen gefertigt. Außerdem wird nicht mehr in traditionell festgelegten Sticharten gestickt, wie Sprengen, Anlegen, Stilstich oder Zopfstich, sondern es wird versucht, in eher freier Art zu sticken. Von den Motiven her gesehen, zeigt es sich, dass sehr viele Bildchen oder Szenen aus der hl. Schrift gefragt sind.

Die Aufträge in der Stickerei

Die Aufträge in den ersten 50 Jahre des Bestehens der Stickerei in Thyrnau, die die Schwestern allein und neben ihren anderen klösterlichen Verpflichtungen zu bewältigen hatten, wurden in der Chronik ziemlich detailliert der Nachwelt mitgeteilt. Hier sollen einige Auszüge aus der Klosterchronik folgen:

"Besonders waren die Stickerinnen froh, als H. H. Pfarrer Lichtenegger schon im September 1902 den Anfang machte zu den Bestellungen, die seither nie mehr fehlten, aber in Vézelise zu den Seltenheiten gehört hatten. Für die Pfarrkirche von Thyrnau wurde innert der ersten Monate nach der Ankunft dahier eine rote Casula und ein weißes Pluviale gestickt, ersteres um den Preis von M. 250, letzteres um M. 400." S.262 

1903 waren es schon 3 Messkleider, 4 Levitenkleider, mehrere Ciboriumvelum u. dgl. mehr, sowie 2 Feuerwehrfahnen;

1906 5 Pluviale, 2 Kongregationsfahnen und 14 Messkleider, von denen mehrere mit reicher Stickerei versehen waren.

„Die Empfehlungen des hochwürdigsten Herrn Bischofs [6] und des hochwürdigen Seminar-Regens in Passau waren uns behilflich, dass sich die Stickerei aus den bescheidenen Anfängen sehr günstig entwickelte und dem Kloster eine gute Einnahmequelle gesichert scheint." S.274

1909 wird von 10 Vereinsfahnen u. 3 Messkleidern berichtet. Eine der Fahnen ging nach Kalifornien.

1927: "Zu dem am 24. Febr. stattgefundenen 25jährigen Bischofsjubiläum in Passau wurde von unseren Klosterfrauen auf Bestellung des Diözesanklerus ein vollständiger Ornat gestickt, nach Muster unseres weißen Rathauser Messkleides. Die Ausführung des ehrenden Auftrages erforderte viel Zeit u. Mühe, fand aber allgemeine Anerkennung und Bewunderung .Selbst die Zeitungen berichteten von dem Kunstwerk, das in St. Josefs stillen Klosterräumen gefertigt wurde." S.335

1941 waren dann vor allem Wehrmachtsabzeichen, Reichsadlern, Mützenkränzchen und Spiegel zu sticken. Auch auf viele 1000 Paare Achselklappen und Mützen wurden die Nummer, oder Reichsadler und Spiegel aufgenäht.

1943 steht die Paramentenstickerei trotz des Krieges noch in voller Blüte. 6 Ornate waren zu liefern, 11 Pluviale, 50 gotische Kaseln, 18 römische, 10 Velen und 15 Stolen, nebst vielen kleineren Arbeiten und ausgebesserten Paramenten.

In den Sechziger Jahren, während und nach dem Konzil, sah die Auftragslage nicht sehr glänzend aus. Die Schwestern fuhren mit Koffern voller Paramente zu Priestertreffen, in Exerzitienhäuser usw. Sie waren froh, wenn die vorrätig gefertigten Messgewänder unter diesen Bedingungen verkauft werden konnten.

An dieser Stelle soll eine Bemerkung aus einem Artikel im Passauer Bistumsblatt 1964 angeführt werden, die davon spricht, dass viele fertige Sachen im Schrank hängen und es keine Käufer dafür gibt. Es heißt dort "Die große Zahl dieser Stickerinnen ermöglicht auch die Ausführung kurzfristiger Aufträge. Außerdem verfügen die Werkstätten über eine große Anzahl von Modellen und fertigen Stücken, so dass eine sofortige Lieferung möglich ist." [7]

Heute sieht die Lage ganz anders aus. Wenn 2 vorrätige Messgewänder im Schrank hängen, sind wir schon gut eingedeckt.

In welchem Jahr die letzte dieser Ausstellungsfahrten stattfand, ist nicht mehr herauszufinden. Je bekannter aber die Thyrnauer Stickerei wurde, umso weniger mussten die Schwestern in irgendwelche Häuser fahren, um ihre Ware anzupreisen. Die Kundschaft, meist die Priester selber, kam immer zahlreicher ins Haus und die Aufträge wurden von Jahr zu Jahr mehr, bis sie sich Anfang der Achtziger Jahre bei einem Niveau von ca. 90 - 100 Kaseln im Jahr einpendelten.

Außer Messgewändern werden natürlich auch Stolen, Pluviale, Chorröcke, Tuniken, Alben, Ministrantengewänder, Altarwäsche, Kelchwäsche und Fahnen (Vereinsfahnen, Kirchenfahnen), Fahnenbänder u.a.m. gestickt und genäht.

Die Bedeutung des Stickereibetriebes

Einen guten Ruf hat die Stickerei nicht erst in den letzten Jahren. Das zeigt die Verleihung der Goldmedaille durch den Präsidenten der Handwerkskammer am 8.9.1961 an Äbtissin Ludwigis.

Auch die Anfrage anderer Schwesternhäuser nach Information oder Ausbildung ihrer jungen Schwestern in unserer Stickerei kann als Beleg dafür genommen werden Oder der Einzugsbereich der Kundschaft. Obwohl die meisten Pfarrer aus der näheren Umgebung kommen, gibt es doch nicht wenige, die weiter entfernt wohnen. Sie kommen aus Österreich, aber nicht nur aus dem Grenzbereich, sondern durchaus auch aus Wien. Auf der anderen Seite reicht die Grenze nicht bis München. Sie kommen aus Kiedrich, aus Burgau, aus München, aus Neubiberg und wie die Orte alle heißen. Und aus dem Norden haben schon Priester ihre Messgewänder oder andere Paramente bestellt, die in Dortmund, Paderborn, Bielefeld oder Duisburg ihre Pfarrei haben. Evangelische Pastoren bestellen Tuniken und Stolen für ihre Amtshandlungen bei uns, ganz abgesehen von Antipendien, die ja in der ev-luth. Kirche viel gebraucht werden.

Die Fahnenbestellungen beschränken sich im allgemeinen auf den niederbayrischen Raum, obwohl es auch hier Ausnahmen gibt und manch eine Bestellung auch aus anderen Gegenden Deutschlands kommt.

Ausblick

Die Wünsche der Geistlichen nach individueller Gestaltung ihrer Paramente nimmt zu und es spricht sich herum, dass diese Wünsche bei uns erfüllt werden können.

Ich hoffe und bin eigentlich sicher, dass wir mit unserem jetzigen Konzept in der Stickerei durchaus den Wünschen der Kundschaft gerecht werden können und uns damit auch für die Zukunft die Möglichkeit gegeben ist, im textilen Bereich künstlerisch wirken zu können und damit auch für den Gottesdienst und zur Ehre Gottes würdige und schöne Gewänder herzustellen.

Die Menschen von heute müssen über alle ihre Sinne angesprochen werden, wollen sie ihr Herz Gott öffnen und es zu ihm erheben. Sie brauchen nicht nur schönen Gesang und Orgelklang für das Ohr, sondern auch für ihre Augen festlichen Blumenschmuck, saubere Ministranten und schöne Gewänder des Priesters. Hier hat eine Paramentenstickerei, die künstlerisch qualitätsvolle Gewänder herstellt, ihren eigentlichen Sinn und auch eine Verpflichtung.

Die Schwestern finden über diesen Sinn ihrer Arbeit zum Sinn ihres Lebens, den Odilo Lechner, Abt von St. Bonifaz in München, wie folgt beschrieben hat: "Der Sinn der Arbeit kann wohl nur im Sinn des Lebens überhaupt gefunden werden. Benedikt nennt ihn in Kap. 57 seiner Regel ganz bewusst in Bezug auf die Arbeit und das Geschäft:

"ut in omnibus glorificetur Deus

damit in allem Gott verherrlicht wird"

RB 57,9."


[2] Holzherr, Georg: Die Benediktusregel. Eine Anleitung zu christlichem Leben. Zürich, Einsiedeln, Köln 1980.

[3] Grün, Anselm: Bete und arbeite - Kurzformel benediktinischen Lebensstiles. in: Braulik, Georg (Hrg.): Herausforderung der Mönche. Benediktinische Spiritualität heute. Wien, Freiburg, Basel 1979. S.155-173.

[4] Grün: Bete und arbeite. S.164

[5] Lechner, Odilo: St. Benedikt: Suche nach Gott - Suche nach Maß. Als Vortrag gehalten bei der Associatio Sanctus Benedictus Patronus Europae in Essen am 16.09.1982. Als Manuskript gedruckt.

[6] Antonius von Henle, 03.04.1901 - 18.10.1906 Bischof von Passau.

[7] Kunstvolles Schaffen im Dienst der Liturgie. Ein Besuch in den Paramentenwerkstätten der Zisterzienserinnenabtei St. Josef in Thyrnau bei Passau. Passauer Bistumsblatt 29(1964) Nr.13 S.12-13, hier S.13.