Gertrud von Helfta - Die Große
Leben
Gertrud von Helfta wurde am 06.01.1256 in Thüringen (von unbekannter Herkunft) geboren und starb am 13.11.1302 in Helfta. Ihr Gedenktag ist der 17.11.
Mit 5 Jahren wurde sie als Waise der Obhut der Zisterzienserinnen des Klosters Helfta übergeben. Dort erhielt sie unter der Äbtissin Gertrud v. Hackeborn (†1292) und ihrer Lehrerin Mechthild v. Hackeborn als hochbegabte Klosterschülerin eine umfassende wissenschaftliche und geistliche Ausbildung.
Durch eine Christusvision am 12.01.1281 erlebte Gertrud eine innere Krise, die sie nun zur Theologin formte. Auf Göttliche Weisung hin schrieb sie ihre zum Teil mit körperlichen Leiden verbundenen geistlichen Erfahrungen nieder. Als liebende Freundschaft erlebt Gertrud ihre Beziehung zu Jesus. Er hat Wohnung genommen in ihrem Herzen, entsprechend der Aussage des Evangeliums: „Wenn einer mich liebt, wird er mein Wort bewahren und mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen“.
Jesus verspricht Gertrud durch sein göttliches Herz das zu vollbringen, wozu dem Menschen die Kraft fehlt.
Legatus III.23 aus: Schmidt, Margot, Gertrud von Helfta, in: LThK 4 (3 1995),Sp.538.
"Du, Gott, meine Hoffnung, Durst meines Geistes, Leben meiner Seele. Du bist der Jubel meines Herzens, Anfang und Erfüllung alles Guten, Du bist strahlende Schönheit, Ursprung des Lichtes und Quelle des Lebens." hl. Gertrud von Helfta
Texte der hl. Gertrud
O Liebe, die du nicht Licht trägst, sondern Gott trägst!
„O Liebe: dich zu schauen, ist, im Geist aus mir in Gott zu entrücken. Dir anzuhangen, ist, mit Gott vermählt zu werden in hochzeitlichem Bunde. O meiner Seele höchstes heiteres Licht und herrlichst strahlender Morgen: eia, werde endlich in mir Tag und lass mir so licht werden, dass ich in deinem Lichte schaue das Licht, und dass durch dich sich wandelt meine Nacht in Tag. O mein liebster Morgen, alles, was nicht Du bist, das mag ich aus Lieb zu deiner Liebe gleichsam für nichts erachten und für nichtig. Eia, suche mich auf am Morgen schon, wenn es licht wird, dass ich in dich ganz und gar umgewandelt werde gleich sofort.
O Liebe, die du nicht Licht trägst, sondern Gott trägst: gleich jetzt mögest du zu mir kommen reichlich und freigebig, dass ich durch dich schmelze süß dahin. Von mir, zu einem Nichts geworden, möge ich vollkommen in dich fließen ganz und gar, dass ich mich von jetzt an niemals mehr in mich zurückziehn mag in dieser Zeitlichkeit; statt dessen möge ich durch den Leim der Liebe mit dir zusammengefügt bleiben in Ewigkeit.
O Liebe, du bist jene Gestalt so schön und einzigartig, jene Zier so anmutig und fürstlich: in dieser irdischen Zeit sieht man nichts dergleichen, es sei denn unter den Flügeln der Seraphim. O wann denn wird mich neu erquicken solche so große Schönheit? O kaiserlicher Morgenstern, wie der Blitz strahlst du hervor in göttlicher Klarheit. O wann wird mich erleuchten deine Gegenwart?
O Anblick, höchst liebenswert mir: wann sättigst du mich mit dir? O könnte ich doch die zarten Strahlen deines Liebreizes schon hier empfangen, wenn auch nur für kurze Zeit, dass ich einen Vorgeschmack von deiner Süßigkeit haben darf, wenigstens ein Weilchen, und dass ich dich, meinen besten Teil, im voraus kosten darf mit süßem Wohlgefallen. Eia, wende dich nun hin zu mir, nur ein ganz klein wenig, dass ich auf dich, du Blüte aller Blüten, heften kann meinen Blick.
Du, du bist der heiligen Dreieinigkeit herrlich klarer Spiegel: in ihn darf man dort von Angesicht zu Angesicht, hier aber rätselhaft verdunkelt nur blicken mit dem Auge eines reinen Herzens. Eia, besprenge mich mit deiner Reinheit, und ich werde gereinigt werden. Berühre mit deiner lauteren Reinheit meines Herzens Inneres, und ich werde weißer als der Schnee. Die Größe deiner innigen Liebe, so bitte ich, gewinne die Oberhand, und die Heiligkeit deiner Verdienste soll in ihrer reichen Menge mich umhüllen: dann soll mich von dir nicht ferne halten, dass mein Liebreiz dem deinen gar so wenig gleicht. Blicke hin auf mich und sieh und mache, dass ich dich wahrnehme und von dir weiß. Du zuerst hast liebgewonnen mich. Du erwähltest mich, wogegen ich dich nicht erwählte, dich. Du, jedem, der nach dir dürstet, läufst du entgegen aus eigenem freien Willen; blendend weißer Glanz ewigen Lichts erstrahlt gleißend auf deiner Stirn. Eia, zeige mir dein Angesicht und mach, dass ich betrachte deines Anblicks Schein. Ja, dein Angesicht ist lieblich süß und zierlich, und wird umstrahlt von der Gottheit schönster Morgenröte. Auf deinen Wangen wunderbar flammt rot das Omega und Alpha. In deinen Augen erglüht unauslöschlich die herrlich strahlende Ewigkeit. Dort leucht mir Gottes Heil, wie eine Lampe rötlich schimmernd. Dort scherzt mit der lichterfüllten Wahrheit, heiter spielend, die innige Liebe, lieblich anzusehen. Duft des Lebens atmet hin zu mir aus dir. Milch und Honig träufelt mir aus deinem Munde.
Gertrud von Helfta, Exercitia spiritualia: lateinisch und deutsch = Geistliche Übungen 2, hrsg. S. Ringler, Elberfeld 2001, 131f.)
Das Verlangen der wahren Hingabe
aus: Gertrud von Helfta, Exercitia spiritualia – Geistliche Übungen,2, 41-64, hg. v. S. Ringler, Elberfeld 2001, S.69.
Gegenwart
„Als ich mich am Abend zum Gebet niederkniete, dachte ich plötzlich an die Worte des Evangeliums: Wer mich liebt, der hält sich an mein Wort; mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen (Joh 14, 23). Da fühlte mein Herz, dass du angekommen und in mir gegenwärtig warst.“